Wenn das Essen nicht mehr schmeckt
Bedingt durch die Erkrankung oder eine damit verbundene Therapie verändert sich in vielen Fällen auch der Appetit und Geschmackssinn der Betroffenen. Plötzlich bereitet Essen keinen Genuss mehr, sondern wird zu einer zusätzlichen Herausforderung im bereits schwierigen Alltag. Als Folge ziehen sich Betroffene immer mehr zurück und verlieren so mit der Freude am Essen ein weiteres Stück Lebensqualität – und auch an sozialem Halt.
Die Erfahrungen der Betroffenen
Kathrin Zulauf aus Oensingen
Die Erfahrungen der Lebensmittelwissenschaftlerin
Marianne Botta, dipl. Lebensmittelwissenschaftlerin ETH
Marianne Botta, dipl. Lebensmittelwissenschaftlerin ETH erzählte uns im Interview, dass nicht nur der Geschmacksverlust das Problem sei, sondern auch der Schmerz beim Essen.
Über die Geschmacksveränderungen bei Betroffenen
Marianne Botta, dipl. Lebensmittelwissenschaftlerin ETH
Geschmacksveränderung bei Krebserkrankten sind meistens auf die Chemotherapie, oder eine Bestrahlung im Kopf-/Halsbereich zurückzuführen.
Geschmacksstörung als Nebenwirkung einer Krebstherapie
Marianne Botta, dipl. Lebensmittelwissenschaftlerin ETH
Im Rahmen der Aktion «RECIPES rewritten» engagieren sich deshalb drei Ausnahmetalente der Schweizer Gastro-Szene sehr persönlich, um dem entgegenzuwirken. In einem kulinarischen Experiment setzen sich die Gourmetspezialisten Mirja Birlo, Romain Paillereau und Stéphanie Zosso offen und lustvoll mit den Geschmacksveränderungen von Krebsbetroffenen auseinander.
Raffiniert passen die Küchenchefs ihre Signature-Gerichte dem Geschmacksempfinden von Betroffenen an, um diesen besondere Genussmomente zu schenken und in ihnen so die Freude am Essen wiederzuerwecken.
Vielen fällt es nicht leicht, über ihre Geschmacksveränderungen zu sprechen oder andern diese verständlich zu machen. Für «RECIPES rewritten» waren darum Chefs wie Betroffene gefordert, Mut, Verständnis und auch Experimentierfreude aufzubringen, um Gewohntes anzupassen, Neues zu versuchen und Genuss und Freude am Essen gemeinsam neu zu entdecken.
Eine Betroffene erzählt
Bei Kathrin Zulauf aus Oensingen wurde im Herbst 2016 ein Lungenkarzinom (Lungenkrebs) diagnostiziert. Seit diesem Tag musste sie täglich Medikamente zu sich nehmen – diese führten auch zu dieser Geschmacksveränderung.
«Als ich Orangensaft trinken wollte, habe ich den Geschmacksverlust bemerkt.»
Kathrin Zulauf, Betroffene
Die Medikamente, die sie aufgrund ihrer Krebserkrankung einnimmt, wirken sich stark auf ihren Geschmackssinn aus. Säurehaltiges schmeckt für sie bitter und gewisse Lebensmittel hinterlassen ihr einen äusserst unangenehmen metallischen Geschmack im Mund. Salz nimmt sie kaum noch wahr und so erscheinen ihr die meisten Speisen fade.
«Ich verwende nun Holzbesteck, damit das Essen nicht metallisch wirkt.»
Kathrin Zulauf, Betroffene
Ihr fehlt heute nicht nur der Genuss am Essen. Durch ihren veränderten Geschmackssinn kocht sie auch viel weniger und hat seltener Gäste als früher. Beides fehlt ihr in ihrem Alltag. Durch «RECIPES rewritten» erhofft sie sich nicht nur einen besonderen Genuss-moment mit ihren Liebsten, sondern dank Tipps und Tricks aus der Profiküche vielleicht auch längerfristig wieder etwas mehr Freude am Kochen und Essen.
Über den Dinnerabend mit den Gourmetspezialisten
Kathrin Zulauf, Betroffene
Tipps für Krebsbetroffene bei therapiebedingten Geschmacksveränderungen
Welche Lebensmittel und Getränke sind bei Geschmacksveränderungen geeignet?
Marianne Botta, dipl. Lebensmittelwissenschaftlerin ETH
- Statt wenige grössere Mahlzeiten mehrere kleine, möglichst energie- und eiweissreiche Snacks über den Tag verteilt zu sich nehmen
- Lebensmittel nach der geschmacklichen Akzeptanz und den aktuellen, persönlichen Vorlieben auswählen.
- Neues ausprobieren. Bei neuen Gerichten hat man keine Erwartungen an den Geschmack und akzeptiert Geschmacksabweichungen besser.
- Das Auge isst mit. Ein schön angerichteter Teller motiviert mehr zum Essen.
- Geschmacksverluste können durch Kau- und Bisserlebnisse, z.B. weich, knusprig, knackig, körnig ausgeglichen werden.
- Nicht zu heisse oder zu kalte Speisen essen
- Häufig kleine Mengen trinken, um den unangenehmen Geschmack im Mund zu vermindern
- Falls der Geruch Probleme bereitet, wenn möglich starke Essensgerüche vermeiden. Vor dem Essen die Räume lüften. Andere für sich kochen lassen.
- Geruchsarme Speisen oder Lebensmittel mit wenig Eigengeschmack, wie z.B. Reis, Weissbrot, Poulet verwenden.
- Beim Zubereiten der Speisen eher wenig Gewürze verwenden und bei Bedarf nachwürzen. Gewürze wie z.B. Ingwer, Zimt oder Kräuter, aber auch Aromazusätze wie Sirup oder Zesten oder Techniken wie Marinieren helfen, den Eigengeschmack der Speisen zu verändern oder zu intensivieren.
- Schmeckt das Essen zu salzig, kann die Zugabe von Zucker helfen, den salzigen Geschmack zu vermindern. Schmeckt das Essen zu süss, können ein paar Tropfen Zitronensaft oder Essig hilfreich sein.
- Bei einem metallischen Geschmack im Mund: Lebensmittel meiden, die bereits einen bitteren oder metallischen Geschmack haben, wie z.B. Kaffee, Schokolade oder rotes Fleisch. Speisen wenn möglich nicht im Metallgeschirr zubereiten und kein Metallbesteck verwenden, sondern Holz als Alternative wählen.