Tierheime haben kaum mehr Kapazität für neue Katzen
Die Zahlen sind erschreckend. Zwischen 100'000 und 300'000 Katzen in der Schweiz leben herrenlos. Im gleichen Rahmen bewegt sich die Anzahl vernachlässigter Katzen. Tierheime sind aber überfüllt und Hilfesuchende werden meist weitergereicht, bis irgendwann keine Lösung mehr vorhanden ist. Dann sterben die Katzen meist unter schmerzhaften Umständen.
Folgen der Coronakrise
«Die Zahl der herrenlosen und vernachlässigten Katzen beruht auf Hochrechnungen. Wir stellen hier eine steigende Tendenz fest», sagt Arlette Niederer vom Schweizer Tierschutz auf Anfrage. Weit mehr Meldungen über unerwünschte Katzen sind bei der Tierschutzorganisation NetAP (Network for Animal Protection) kürzlich eingegangen, als die Organisation habe bewältigen können. «Der Monat Juli hat uns schier zur Verzweiflung gebracht», wird Esther Geisser, NetAP-Präsidentin in einer Mitteilung zitiert.
Was im Moment besonders schwierig ist: Es ist Ferienzeit und viele Ferientiere müssen zusätzlich untergebracht werden. Zudem wurden während der Coronapandemie vermehrt Katzen von Bauernhöfen in Familien geholt, die nun aber wieder weggegeben werden. Denn es zeigt sich: Diese Katzen landen vermehrt in Tierheimen.
«Bei Hunden ist man sich einig, dass Corona ein wichtiger Auslöser für die Zunahme von Hunden in Tierheimen ist. Bei Katzen ist das wohl nicht ganz so ausgeprägt, weil sie besser allein auskommen und daher nicht so schnell die Notwendigkeit empfunden wird, sie wegzugeben, wenn man wegen der aufgehobenen Homeoffice Pflicht nicht mehr so oft zuhause ist. Doch wir vermuten stark, dass Corona auch hier einen Einfluss hatte», erklärt Niederer.
Was tun gegen das Katzenelend?
Eine Kastrationspflicht sei eine wichtige Grundidee, erklärt Arlette Niederer. «Insbesondere bei der Freigängerhaltung von Hauskatzen könnte eine solche dazu beitragen, das Problem streunender und verwilderter Katzen zu reduzieren.» Eine weitere Massnahmen gegen das Katzenelend könnte die Einführung einer Registrationspflicht sein, damit aufgegriffene Katzen ihrem Besitzer zugeordnet werden können.
«Zudem muss das Bewusstsein für eine katzenfreundliche Haltung gestärkt werden», so Niederer. Katzen gelten als leicht zu haltende Tiere und ihre Haltungsansprüche werden zu oft auf die leichte Schulter genommen. «Versorgt man Katzen schlecht, kann es sein, dass sie beginnen zu streunen und zum Teil mit der Zeit auch verwildern.»
Seit längerem auf politischem Radar
Auch wenn das Katzenleid ein dramatisches Level erreicht hat, ist es keine neue Problematik. NetAp hat bereits 2016 eine Kampagne «Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen in der Schweiz» lanciert. Im selben Jahr hat der Tierschutzverein «Fondation SOS Chats» eine Petition mit über 17'000 Unterschriften zur Kastrationspflicht für Katzen eingereicht.
2018 erreichte den Bundesrat ein offener Brief zur Thematik des Schweizer Katzenelends, eingereicht von «TIR» (Tier im Recht) und NetAP. Nationalrätin Doris Fiala (FDP/ZH) reichte Ende 2018 die Motion «Weniger Tierleid dank Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen» im Nationalrat ein.
Wenig Engagement
Die Reaktionen darauf? Der Brief blieb unbeantwortet und die Motion wurde abgelehnt. Es folgten weitere Versuche seitens Tierschutzorganisationen und Politikerinnen und Politikern, doch geändert hat sich nichts.
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) versicherte 2020, dass man das Katzenelend erkannt habe und Massnahmen ergreifen wolle, jedoch die Kastrationspflicht als nicht umsetzbar erachte: «Artikel 25 der Tierschutzverordnung verpflichtet Tierhalter und Tierhalterinnen, zumutbare Massnahmen gegen die übermässige Vermehrung zu treffen. Eine Kastrationspflicht wäre ohne Chip- und Registrierungspflicht nicht kontrollierbar.»
Das Problem der verwilderten Katzen solle primär so angegangen werden, dass es keine Gelände hat, auf denen sich Katzenkolonien etablieren können, so das BLV. Der Vollzug des Tierschutzgesetzes liege schlussendlich bei den Kantonen.