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Seilpark Balmberg vor Gericht wegen verunfalltem Besucher

Der Seilpark Balmberg musste vor Gericht.
Foto: AZM Solothurn
Wer ist schuld?

Seilpark Balmberg vor Gericht wegen verunfalltem Besucher

Im Seilpark Balmberg verunfallte ein Besucher. Das Amtsgericht Solothurn-Lebern musste nun entscheiden: War ein Mitarbeiter des Seilparks verantwortlich, wie es der Besucher einklagte? Oder der Besucher selbst?

Inwieweit ist eine Freizeitanlage für die Sicherheit seiner Kundinnen und Kunden verantwortlich? Darum geht es letztlich, wenn das Amtsgericht Solothurn-Lebern über diesen Fall berät.

Ausgangspunkt ist ein Unfall im Seilpark Balmberg vor über sechs Jahren. Am 21. August 2016 konnte Phil E. (Name geändert) als junger Mann auf der längsten Seilrutsche («Tirolienne» oder auch «Zipline» genannt) des Parks nicht genügend bremsen und prallte mit dem linken Fuss in einen Baum. Sein Sprunggelenk brach, er war mehrere Monate arbeitsunfähig, musste sich in der Folge umschulen lassen. Er ist in der Beweglichkeit noch heute eingeschränkt, hat noch Schmerzen, obwohl er Sport treiben kann.

Erst spät, am 3. September 2018, stellte Phil E. den Strafantrag gegen einen Mitarbeiter des Seilparks, gegen Kai G. (Name geändert). Die Staatsanwaltschaft wollte den Fall nicht aufnehmen, worauf hin Phil E. Beschwerde erhob. Erst das Bundesgericht entschied: Ja, für den Fall müsse sehr wohl eine Strafuntersuchung eröffnet werden.

So sieht eine Seilrutsche im Seilpark Balmberg aus.

Foto: AZM Solothurn

In der Anklageschrift wurde dem Mitarbeiter des Seilparks Kai G. fahrlässige, schwere Körperverletzung vorgeworfen, gefordert wird eine bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 200 Franken. Drei Punkte werden dem Mitarbeiter vorgeworfen:

1. Die Instruktion am Anfang sei nicht ausreichend gewesen

Eine Instruktion zur Handhabung des Seilparks mit anschliessendem Übungsparcours wurde laut Zeugen offenbar durchgeführt. Dabei wurde die Sicherung mit Karabinerhaken gelehrt und geübt, aber auch das Bremsen an der Seilrutsche. Doch während beim Übungsparcours die Seilrutsche nur wenige Meter beträgt, war sie dort, wo der Unfall geschah, 175 Meter lang, die Geschwindigkeit entsprechend höher. Die Seite von Phil E. behauptet damit, dass die Einführung nicht gut genug auf die richtigen Hindernisse des Seilparkes vorbereitet hätte.

Die Gegenseite meint wiederum, dass Phil E. nicht die korrekte Bremstechnik anwendete, als es zum Unfall kam. So habe er beispielsweise die hölzerne Landerampe für die Füsse am Ende der Seilrutsche nicht benutzt. Auch habe er die mehrfachen Bremstechniken der Seilrolle mit den Händen nicht korrekt angewandt.

2. Die Handschuhe seien defekt gewesen und nicht richtig kontrolliert worden

Im Seilpark Balmberg trägt man Sicherheits-Handschuhe. Dazu behauptet Phil E., dass die Handschuhe defekt gewesen seien. Besonders die Handinnenfläche seien durchgescheuert gewesen. Der Anwalt von Phil E. kritisierte, Phil E. hätte speziell instruiert werden müssen, wie er mit diesen löchrigen Handschuhen hätte bremsen sollen.

Ob er die defekten Handschuhe nicht gegen intakte einzutauschen versucht habe, wurde gefragt. Doch, Phil E. und seine Freunde hätten es versucht, aber die übrigen Handschuhe seien genauso gewesen. Die insgesamt vier Freunde hätten auch gedacht, «es ginge dann schon». Sie hätten sich vor allem riesig gefreut und endlich loslegen wollen.

Phil E. habe mit den teils durchgescheuerten Handschuhen «schon ein wenig» bremsen können, hatte am Schluss noch etwas mehr als Schritttempo. Aber es sei durch die Handschuhe nicht möglich gewesen, genug stark abzubremsen. So sei Phil E. in den Baum am Ende der «Zipline» gekracht.

3. Es soll bauliche Mängel bei der Seilpark-Route gegeben haben

Phil E. wirft dem Seilpark Balmberg vor, dass es am Ende der Seilrutsche zumindest eine Polsterung hätte haben müssen. Eine solche hätte laut Phil E. einen Unfall verhindern können.

Der Verteidiger von Kai G. sagte, Pneus oder Polster hätten die Verletzung nicht verhindert und: «Irgendwo hört die strafrechtliche Verantwortung auf». Der Park zähle jährlich 23'000 Besucher. «Keiner hat auf der Seilrutsche irgendein Problem.» Kai G. sei unschuldig, «Phil E. mit seinem bewussten Fahrfehler ist schuld». Inzwischen sind im Seilpark Polster angebracht, denn, so Kai G.: «Es gibt Leute, die halten sich nicht an Regeln.»

Das Urteil

Der Mitarbeiter des Seilparkes Balmberg habe grundsätzlich eine besondere Sorgfaltspflicht und muss alle Vorkehrungen für die Sicherheit der Besuchenden treffen. Aber: Auch wenn alle zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen getroffen wurden, sei ein restliches Risiko, dass etwas passieren kann, unvermeidbar. Mit anderen Worten müssen die Betreiber nicht sämtliche Sicherheitsvorkehrungen treffen, die irgendwie infrage kommen könnten, sondern nur diejenigen, mit welchen die Risiken entsprechend gesteuert werden können.

Um abzuwägen, ob alle zumutbaren Pflichten in Punkto Sicherheit vom Mitarbeiter berücksichtig wurden, sei es wichtig, sich die gängigen Sorgfaltsregeln in dem Tätigkeitsgebiet anzuschauen. In den Regelwerken anderer Seilgärten stehe geschrieben, dass eine «angemessene Schulung und entsprechende Ausrüstung bereitgestellt werden muss». Dies sieht das Gericht als erfüllt, denn sämtliche Zeugen bestätigten, dass sie vor Begehung des Parks detailliert instruiert worden seien.

Die Seilrutsche sei kein Baufehler gewesen. So konnte der Beschuldigte Kai G. nachweisen, dass die Seile der Seilrutsche durchhängen, also nicht komplett gespannt sind. Dies bedeute, dass man zunächst nach unten, nach der Mitte der Zipline aber wieder nach oben gleite, so dass man vor der nächsten Plattform aufgrund der physikalischen Gesetze automatisch abgebremst werde. Auch die Holzrampe wäre als Bremshilfe zu verstehen, welche Phil E. wissentlich nicht nutzte. Es seien demnach genügend Mechanismen vorhanden gewesen, um bei korrektem Gebrauch das Bremsen zu ermöglichen. Eine zusätzliche Polsterung bei der Landeplattform sei somit keine Pflicht gewesen.

Das Gericht ist auch nicht davon überzeugt, dass die Handschuhe «komplett kaputt» gewesen sein sollen. Dazu seien die Aussagen von Phil E. und seinen Freunden zu ungenau und zu wenig einheitlich gewesen. Zudem konnte Phil E. mit den angeblich total löchrigen Handschuhen bereits vier bis fünf andere Seilrutschen auf den Parcours des Seilparkes Balmberg befahren, ohne Probleme zu haben. Erst danach kam es zum Unfall.

Unter Berücksichtigung all dieser Punkte sei der beschuldigte Mitarbeiter vom Vorwurf der fahrlässigen schweren Körperverletzung vollumfänglich freizusprechen.

Quelle: Solothurner Zeitung & Radio 32
veröffentlicht: 7. Oktober 2022 09:41
aktualisiert: 7. Oktober 2022 13:09
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