Kurzsichtigkeit nimmt zu: Darum sehen wir immer schlechter
«Wenn man ein Huhn in einen engen Käfig einsperrt, wird es kurzsichtig», sagt Martin Lörtscher, Optometrist bei der Pallas Klinik in Aarau. «Wenn es aber auf dem Feld aufwächst, wird es normalsichtig.» Die Ergebnisse der Tierversuche könnten auch auf uns Menschen zutreffen.
Darum wird man kurzsichtig
«Kurzsichtig wird man, wenn das Auge zu lange wächst», so Lörtscher. «Deshalb kommt es oft im Teenager-Alter vor, dass einige Dioptrien zugelegt werden», führt Peter Raak, Chef-Augenarzt der Pallas Klinik in Aarau, aus. «Der Körper wächst und das Auge logischerweise auch. Wenn das Auge unverhältnismässig stark wächst, wird man kurzsichtig. Bei Teenagern gibt es Phasen, in denen das Augenwachstum innerhalb kurzer Zeit sehr ausgeprägt sein kann.»
Bei Kleinkindern fängt das Auge zuerst an, in die «Länge», also quasi in die Tiefe, zu wachsen. «Parallel dazu sollten die Hornhaut und die Linsendicke abflachen. Wenn das alles gleichmässig passiert, wird man nicht kurzsichtig», so Martin Lörtscher. Wenn die Augenlänge aber zu schnell wächst, wird man kurzsichtig.
«Wir müssen nicht mehr in die Ferne schauen»
Kurzsichtigkeit nehme laut dem Augenarzt in vielen Staaten Europas geradezu pandemische Züge an.
«Weil wir ja gar nicht mehr in die Ferne schauen müssen. Es ist nicht mehr nötig, den Horizont zu sehen, sondern alles in der Nähe: Wir arbeiten viel in die Nähe, schauen in die Bildschirme und lesen Bücher.» Die Evolution passe sich so unserem Lebensstil an. Dem könne man auch entgegenwirken, so Lörtscher: «Und zwar vor allem bei Kindern. Jenen, die noch nicht kurzsichtig sind, empfehlen wir, viel in die Ferne zu schauen und in der Natur unterwegs zu sein. So kann man die Kurzsichtigkeit hinauszögern.» Wenn sie aber bereits kurzsichtig sind, hat das keinen Effekt mehr.
Pandemie der Kurzsichtigkeit
«Studien belegen, dass die Kurzsichtigkeit weltweit zunimmt», sagt Peter Raak. «Man kann auch von einer Pandemie der Kurzsichtigkeit sprechen.» In gewissen Ländern gebe es bereits nationale Gesundheitsprogramme, welche anstreben, dass Kinder viel draussen sind und mehr in die Ferne schauen. «In China gibt es deshalb bereits Klassenzimmer aus Glas», fügt Martin Lörtscher an. «Und da gab es weniger Fälle von Kurzsichtigkeit als bei Klassen in normalen Zimmern.»